[wilhelmtux-discussion] Komplexitaet von FOSS (war Re: Schulcomputer...)

Norbert Bollow nb at bollow.ch
Tue Mar 3 11:07:34 CET 2009


Theo Schmidt <theo.schmidt at wilhelmtux.ch> schrieb:
> Toni Bähler schrieb:
> > Mein Rückschluss aus Gesprächen mit Lehrern ist die, dass sie sich vor 
> > der Vielfalt von FOSS fürchten. 
> 
> Das ist glaube ich "unserer" Pferdefuss. Ich habe langsam selber Angst vor 
> dieser Vielfalt!

Alle Achtung und "Hut ab!" vor allen, die den Mut haben, diese Angst
in einer öffentlichen Diskussion zu thematisieren!

Bei meinen Überlegungen über die Gründe, warum sich FOSS trotz den
offensichtlichen Preisvorteilen und trotz den starken Argumenten
betreffend Freiheit noch nicht viel stärker durchsetzen konnte, bin
ich zu dem Schluss gekommen, dass das zentrale Problem der IT im
Management von Komplexität besteht -- und wenn die angemessenen
Denkkategorien zur Bewältigung dieser Komplexität fehlen, besteht
die natürliche menschliche Reaktion in Angst sowie an Anpassung an
das, was im jeweiligen sozialen Umfeld üblich ist und wertgeschätzt
wird.  Wer will sich schon exponieren, ohne sich sicher zu fühlen,
sich rechtfertigen zu können?

Spezifisch im Hinblick auf FOSS kommt noch dazu, dass Freiheit zu
einer Vergrösserung der Vielfalt und damit einer Vergrösserung der
Komplexität führt.  Dabei wächst die Komplexität stärker als nur
linear mit der Anzahl der zur Auswahl stehenden Programme, weil
auch Komplikationen des Datenaustauschs zwischen den Programmen
sowie Wechselwirkungen im Kopf des Benutzers zwischen diffusem
Wissen über die einzelnen Programme zur Erhöhung der Komplexität
des Gesamtsystems beitragen.

Nun werden die meisten Diskussionsteilnehmer auf dieser Liste wohl
einverstanden sein, dass die Freiheit, eben nicht dem Diktat von
einem grossen Platformanbieter wie Microsoft, Apple, IBM oder Google
folgen zu müssen, ganz entscheidend wichtig ist.

Es stellt sich also die Frage, wie mit der aus dieser Freiheit
resultierenden Komplexität angemessen umgegangen werden kann.

Meine Antwort auf diese Frage ist im Moment, dass es dafür eine
spezialisierte Beratungsdienstleistung braucht, die platformneutral
und von anderen IT-Dienstleistungen unabhängig angeboten werden
muss.  Ich bin daran, ein solches Dienstleistungsangebot
vorzubereiten, zunächste einmal für KMUs.  Dabei finde ich es wichtig,
im Hinblick auf Entscheidungen im Informatik-Bereich den Aspekt der
Freiheit als eines unter etlichen Beurteilungskriterien in angemessener
Weise mitzuberücksichtigen.  Dabei meine ich mit der Bemerkung "in
angemessener Weise", dass die Beurteilung von der Perspektive der
Ziele eines KMU her zu erfolgen hat, also insbesondere weder von der
Perspektive der Freie Software Ideologie (wie diese etwa von der FSF
vertreten wird) noch von der Perspektive eines Open Source Enthusiasten,
sondern eben im Hinblick auf die Ziele eines KMU.  Weil diese Ziele
primär geschäftlicher Art sind, wird die Diskussion von Freiheitsaspekten
ein sehr viel kleinerer Teil einer seriösen Informatikberatung sein als
etwa die Optimierung der Unterstützung des Geschäftsprozesse durch die
Informatik.  Aber den Aspekt der Freiheit gar nicht zu besprechen ist
auch nicht richtig, denn fast jede Firma hat ja neben der (mehr oder
weniger nachdrücklicher verfolgten) Profitmaximierung noch andere Ziele.

Herzliche Grüsse,
Norbert



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