[wilhelmtux-discussion] "Informatiker in die Politik"

Sascha Brawer brawer at dandelis.ch
Thu Nov 27 11:50:08 CET 2003


Lieber Andreas Knöpfli

mit grossen Interesse habe ich die Kurzmeldung in der gestrigen Ausgabe
des Berner "Bund" gelesen, in der Ihre Forderung erwähnt wird, es sollen
mehr Informatiker in die etablierte Politik gehen.

Ich bin vollkommen einverstanden. Allerdings scheint es mir nicht ganz
einfach, diese Forderung mit konkreten Inhalten zu füllen, die über die
üblichen Schlagworte hinausgehen. Welche Anliegen besitzen wir
Informatiker denn konkret?

Mir sind bisher vor allem eher exotische Themen wie Patent- und
Urheberrecht in den Sinn gekommen, die wir in die etablierte Politik
einbringen könnten. Vereinzelt habe ich auch schon beobachtet, wie diese
Gebiete politisch bearbeitet werden. Zum Beispiel verteilen die deutschen
Grünen auf Linux-Veranstaltungen Flugblätter zum Recht auf Privatkopie
und zu freier Software.

Ich persönlich fände es allerdings sehr schade, wenn die Informatik-
Themen, welche bisher ja noch wenig politsch in Beschlag genommen worden
sind, im altbekannten Links-Rechts-Schema positioniert würden (wobei mir
das als Liberal- oder "Gurken"-Grüner bei vielen Gebieten so geht). 

Allerdings ist mir nicht klar, ob sich zum Beispiel beim Thema
Trivialpatente wirklich mehr oder weniger alle Informatiker einer Meinung
sind. Immerhin habe ich eine Zeit lang in der Forschungsabteilung von
zwei amerikanischen Grossfirmen gearbeitet, die sehr umfangreiche
Patentportfolios besitzen, aber sogar dort sahen nur die allerwenigsten
einen Sinn in der Entwicklung zu immer mehr und trivialeren Patenten.

Übrigens könnte ich mir gut vorstellen, dass auch die FDP, der
Gewerbeverband oder vielleicht sogar Organisationen wie die
Economiesuisse davon zu überzeugen wären, dass Trivialpatente auf
Software gerade den KMUs wenig nützen würden. Besitzen Sie allenfalls
Verbindungen in diese Richtung?

Vielleicht sind Sie bei diesem Thema auch ganz anderer Meinung. In diesem
Fall wäre es vielleicht spannend, eine öffentliche Diskussion zum Thema
durchzuführen, sobald die Frage aktuell wird.

Es würde mich auch interessieren, ob es noch andere Gebiete gibt, wo wir
Informatiker (natürlich immer unabhängig vom Geschlecht) unser Wissen
einbringen könnten. Datenschutz, zivile/militärische Informatiksicherheit
und das Verwenden offener Standards beim E-Government sind ja
offensichtlich. Dass sich mit quelloffener Software unter Umständen die
Kosten der öffentlichen Verwaltung senken lassen, ist ein weiteres Thema,
das auf der Hand liegt. Sehen Sie allenfalls noch weitere Gebiete?

Herzliche Grüsse

-- Sascha Brawer
   brawer at dandelis.ch, http://www.dandelis.ch/people/brawer/

PS: Ich erlaube mir, dieses Mail auch an die Verteilerliste von Wilhelm
Tux zu schicken. Wilhelm Tux ist ein Verein, der sich für den Einsatz von
freier Software in der Schweiz einsetzt. Es lesen dort auch einige
politisch engagierte Informatiker(innen) mit, von linksalternativ bis zur
jungen SVP.





More information about the wilhelmtux-discussion mailing list