[wilhelmtux-discussion] Re: Einsatz freier Software in Bern

Nicolas Iselin nicolas.wilhelmtux at iselin.ch
Fri Dec 5 21:55:21 CET 2003


Am Dienstag 02 Dezember 2003 19:01 schrieb Sascha Brawer:
> Liebe Liste,

>
> Was meint Ihr, sollten wir solche laufenden Vorstösse auf unsere Webseite
> legen? Die Texte könnten ja auch für Leute von Nutzen sein, die sich in
> weiteren Schweizer Gemeinden engagieren. 

Auf jeden Fall. Ich fände es sogar gut, wenn wir diese Vorstösse auch
kommentieren würden (Siehe meine Kommentare weiter unten ;-)

> Anderererseits ist wohl damit
> rechnen, dass manche der Vorstösse abschlägig beantwortet werden, was
> nicht unbedingt eine super Referenz für eine Kampagne zugunsten freier
> Software wäre.

Und wenn schon. Wichtig wäre dann auch rauszufinden (und zu dokumentieren),
warum die Vorstösse abgelehnt wurden.

> Postulat Grünes Bündnis (Natalie Imboden, Martina Dvoracek)

Schon das finde ich interessant: Warum kommen diese Anfragen immer aus
der links-grünen Ecke (ich habe nichts gegen links-grün, ich wähle auch
so. Nur sind die (wir ;-) immer noch eine Minderheit.

>
> Bericht über den Einsatz von "Open Source- und freier Software" in der
> Stadtverwaltung Bern
>
>
> In der Stadtverwaltung wie auch an den meisten anderen
> computerunterstützten Arbeitsplätzen (It-Infrastruktur) wird heute
> sogenannt proprietäre Software verwendet, also Programme deren Quellcode
> nicht oder nur beschränkt verändert werden kann. Bei Büroanwendungen
> kommen meist Produkte aus dem Hause Microsoft zur Anwendung (Windows oder
> Office). Da fast überall Microsoft verwendet wird, herrscht eine
> eigentliche Monokultur. Dies führt zu Risiken und Nebenwirkungen wie sie
> z.B. bei einem Virus sehr rasch problematisch werden können und auch
> Sicherheitsprobleme auftreten. 

Erstes Argument: Monokultur. Finde ich richtig.

> Zudem müssen hohe Lizenz-Kosten (z.B.
> Microsoft) bezahlt werden. 

Zweites Argument: Kosten. Scheint heutzutage 'der Renner' zu sein, nur
halte ich das für das unwichtigste...

> Alternativprodukte gibt es bisher erst in
> Ansätzen.
>
> Eine Alternative zu diesem IT-Monopol ist die freie oder offene Software
> (sogenannte "Free or Open Source Software" / OSS oder FOSS) wie z.B.
> Linux. Folgende Hauptgründe sprechen für einen FOSS-Einsatz: (a)
> Kostenreduktion, 

Schon wieder die Kosten.

> (b) Sicherheitsaspekte, 

Security gibt es nicht automatisch durch den Einsatz von Linux. 
Aber Linux erleichtert sichere Konfigurationen ungemein, da es
viel mehr komponenten-orientiert ist und relativ einfach alles
unnötige nicht installiert werden muss. Bei Windows kann man 
ja nicht mal den Internet Explorer entfernen.

> (c) Lieferantenunabhängigkeit

Das scheint mir ein sehr wichtiger Punkt, folgt aber eigentlich 
automatisch aus der Kritik am Monopol.

> und (d) technologische Innovation.

Das müsste etwas besser ausgeführt werden. Politisch interessant ist
FOSS vor allem dadurch, dass das Know-How lokal aufgebaut wird und
das Geld für die Infrastruktur an lokale Unternehmen geht und nicht
im Endeffekt nur den nächsten Irak-Krieg finanziert (Das ist jetzt 
sehr tendenziös formuliert und dürfte so natürlich nicht auf die 
Webseite, da es zu viele Leute vor den Kopf stösst, die mit dem 
Argument sonst eigentlich einverstanden sein könnten). 

Aber mit diesem Argument müssten eigentlich Blocher und Co auch 
bei FOSS einsteigen: Wir Schweizer wollen nicht, dass Ausländer
unsere Infrastruktur kontrollieren ! 

Oder der Freisinn: Jeder kümmert sich in Eigenverantwortung um 
seine Informatik-Infrastruktur. 

>
> In der Schweiz wird Freie und Open Source Software (FOSS) auch bei den
> öffentlichen Verwaltungen eingesetzt. So werden beispielsweise in der
> Bundesverwaltung bereits sieben Prozent der 1200 Server mit Linux
> betrieben oder im Bundesgericht ist StarOffice flächendeckend im Einsatz.

Staroffice ist nicht reine FOSS, aber hat viele FOSS-Bestandteile
und ist immerhin Nicht-Monopol ;-)

> In der Bundesverwaltung soll im Spätherbst 2003 das
> Informatikstrategieorgan IBS mit einer neuen Informatikstrategie
> aufzeigen wo und wie Alternativen zu den bisherigen Produkten eingesetzt
> werden können, und zwar ähnlich zuverlässig und benutzerInnenfreundlich.
> Im Rahmen einer Veranstaltung hat das ISB kürzlich mit AnwenderInnen und
> EntwicklerInnen von freier oder offener Software über den Stand der
> Abklärungen informiert (Berner Zeitung, 2.9.03 / www.isb.admin.ch). Auch
> Städte und Kantone prüfen momentan diese Alternative. So hat die Stadt
> München (D) im Grundsatz bereits im Mai dieses Jahres die Umstellung auf
> Linux beschlossen und will bis im Frühling 2004 mit einem Feinkonzept
> klären, wie genau umgestellt wird. Der Kanton Solothurn erarbeitet
> momentan mit SpezialistInnen schrittweise Fachwissen über den möglichen
> Einsatz von FOSS-Produkten.
>
> In der Stadt Bern steht eine grössere Erneuerung in der Informatik bevor
> (Investitionskredit CliP04; Ersatz der Informatik-
> Büroarbeitsplatzumgebung). Wie die Erfahrungen der anderen Verwaltungen
> zeigen, gibt es im Moment noch keine "pfannenfertige" Alternative zu den
> üblichen Software-Produkten, welche die Stadt Bern übernehmen könnte. Im
> Moment laufen aber verschiedene Abklärungen (z.B. Bundesverwaltung bis
> Ende 03; Stadt München für 2004), von deren Erfahrungen auch die Stadt
> Bern bei künftigen Erneuerungen profitieren kann und auch soll.

Aber es gab doch diesen 'Migrationsleitfaden' von der EU (oder von DE) ?

>
> Der Gemeinderat wird daher gebeten, dem Stadtrat in einem Bericht
> darzulegen
>
> - welches die Lizenz-Kosten der verwendeten Microsoft-Software inkl.
> Update für die städtische Verwaltung sind, bzw. für die letzten fünf
> Jahre (inkl. Werke) waren.

Interessant wären auch Schulungen, etc.

>
> - wie und in welchen Teilbereichen künftig in der Stadtverwaltung Bern
> "OpenSource- und freie Software" verwendet werden kann. Dabei sind neben
> finanziellen Fragen (kurz- und mittelfristige Einsparungen), auch Fragen
> der Datensicherheit, Zuverlässigkeit, BenutzerInnenfreundlichkeit,
> Support/Fachwissen zu prüfen.

Hier wird ganz am Rande der (für Verwaltungen) aus politischen 
Gründen wichtigste Punkt für FOSS (eigentlich vor allem für 
offene Formate) leider nur angekratzt:

Die Verwaltung handelt im öffentlichen Auftrag und ist deshalb
grundsätzlich zur Transparenz verpflichtet. Es gibt klare Vorschriften,
welche Akten wie lange aufbewahrt werden müssen und wer sie warum 
wann wie einsehen kann. Mit proprietären Formaten kann diese Transparenz
nicht gewährleistet werden, vor allem nicht über einen grösseren 
Zeitrahmen hinweg:

. Wollen wir wirklich in zehn Jahren (zB) von Microsoft abhängig sein,
  ob wir dann unsere digitalen Akten noch lesen können?

. Muss ich als Bürger, der die Arbeit der Verwaltung überprüfen will,
  zuerst eine Microsoft-Lizenz kaufen, bevor ich die Akten der
  Verwaltung lesen kann?

In dem Sinne (das hat jetzt mit dem Vorstoss nicht mehr so viel zu
tun) finde ich auch die Argumentation des Bundesamts für Informatik
politisch unhaltbar: 'Wir erwägen Open Source Produkte, wenn sie 
gleich gut oder besser als die proprietären Produkte sind'. 

Das genügt nicht! Zumindest bei Formaten nicht. Meines Wissens werden
die parlamentarischen Beratungen seit ein paar Monaten als Video-Stream
übers Netz veröffentlicht. Leider aber sind diese Streams (correct me
if I'm wrong) nur mit Windows-Clients zu sehen! Ein Skandal. 

Nicolas




More information about the wilhelmtux-discussion mailing list