[wilhelmtux-discussion] Meta Group Studie: ISB ueberarbeitet seine Webseite

Nicolas Iselin nicolas at iselin.ch
Mon Nov 11 21:26:04 CET 2002


Am Montag, 11. November 2002 15.26 schrieben Sie:

Hallo Allerseits,

bin neu auf der Mailing-Liste und hoffe, nicht zum hundersten
Mal die gleichen Argumente aufzuwärmen.

>
> Offenbar hat der Protest einzelner Wilhelm-Tux-Mitglieder und
> Sympathisanten etwas bewirkt: seit heute morgen hat das ISB seine
> Webseite über den "Einsatz von Free und Open Source Software" (FOSS)
> gründlich überarbeitet. Neben einer allgemeinen Erläuterung zum Thema
> Freie Software findet sich jetzt auch ein Abschnitt über die
> Einsatzkriterien für Freie Software in der Bundesverwaltung sowie die
> Ankündigung einer FOSS-Strategie die das Jahr 2003. 

Diese Einsatz-Kriterien genügen meines Erachtens nicht. Sie fassen den
Bund/die Verwaltung als einen 'ganz normalen' Teilnehmer im freien
Markt der Informationsdienstleistungen auf. Als Bürger erwarte ich aber
mehr von meinem Staat. Ich folge darin mit innerer Ueberzeugung der 
stringenten Argumentation von David Villanueva Nunez aus Peru, 
der in einem Brief an Microsoft die Einführung eines Gesetzes verteidigt, 
das die Verwendung von Quell-Offener Software für die Verwaltung (und 
nur für die Verwaltung) zur Pflicht macht. Ich denke, das Thema und 
die Links sind den Wilhelm-Tux Lesern bekannt, für die anderen die 
Links:

http://www.theregister.co.uk/content/archive/25157.html
http://www.pimientolinux.com/peru2ms

Sein wichtigstes (und in meinen Augen auch für die Schweiz völlig 
treffendes) Argument ist die Verpflichtung der Verwaltung, die 
Daten der Bürger in Formaten zu speichern, die die Auskunftspflicht
des Staates langfristig sichern und unabhängig vom Goodwill eines
privaten (und ausländischen) Konzerns sind. Wer seine Dokumente
als .doc archiviert, hat schon verloren. Auch die Verwendung eines
Quell-Offenen Betriebssystem gehört dazu. Wer garantiert, dass nicht
alle Passwörter unbemerkt an 'nsa at whitehouse.gov' verschickt werden,
wenn ein Rechner der Bundesverwaltung online geht. Das tönt paranoid,
aber ist eben letztlich nicht auszuschliessen.

Die Applikationen können in meinen Augen closed source sein, solange
die Formate offengelegt sind und es gestattet ist, ohne Royalties zu
bezahlen einen eigenen, Quell-Offenen Generator/Interpreter zu 
schreiben (siehe PDF). Mit einem Quell-offenen Betriebssystem ist
es möglich, selbst einem Closed-Source Textverarbeitungsprogramm
den Zugriff auf Netzressourcen zu verbieten. Umgekehrt geht das
nicht.

Ins gleiche Kapitel geht auch die andere Mail (Java-Script auf
Webseiten der Verwaltung). Es kann doch nicht sein, dass der
Bürger Software (oder sogar einen neuen Rechner) kaufen muss, weil 
die Webseiten 'optimiert für IE 6.0' sind. Wer vom digitalen
Graben spricht, muss auch daran denken, dass es für die Oma vielleicht
irgendwann eine 'Surfstation' auf dem Markt geben wird, bei der nur
noch die Einwahl-Nummer und userid/passwort konfiguriert wird - aber 
nicht jederzeit noch schnell das neuste Flash-Plugin (oder etwas
ähnliches) installiert werden kann. Solange sich nicht einmal die
Verwaltung auf einen 'Minimal-Standard' einigen kann, mit dem 
die korrekte Darstellung der Seiten auch nach drei Jahren noch 
garantiert wird, wird weder so ein Gerät gebaut noch verkauft.
Uebrigens: Welche Inhalte, die der Staat dem Bürger online 
bieten kann, benötigen unbedingt Flash ?

Langer Rede Kurzer Sinn: Die Schweiz als erfahrene Demokratie dürfte
schon aus staatspolitischen Ueberlegungen heraus keine geschlossenen
Betriebssysteme und Datenformate (weder zur Speicherung, noch zur 
Uebertragung) verwenden. Selbst wenn Quell-Offene Software etwas
teuer wäre oder nicht ganz so viele Features wie ein closed-source
Pendant hätte.

Ich freue mich auf eine rege Diskussion.

Nicolas
_______________________________________________
wilhelmtux-discussion mailing list
wilhelmtux-discussion at wilhelmtux.ch
http://wilhelmtux.ch/mailman/listinfo/wilhelmtux-discussion