[wilhelmtux-discussion] (no subject)

Manfred.Morgner at gmx.net Manfred.Morgner at gmx.net
Fre Nov 8 16:36:03 CET 2002


Sehr geehrter Herr Didisheim,

in meiner Rolle als Steuerzahler macht mir der Informationvorgang um das von
Ihnen publizierte 

"Positionspapier zum Einsatz von Linux und OpenSource"
 ( http://www.isb.admin.ch/dok/opensource.htm )

grosse Sorgen.

Entgegen den Aussagen aus dem ISB, die auf der Wihlhelm-Tux-Mailingliste
zulesen waren, handelt es sich bei der o.g.  Internetseite aus Sicht eines
unbedarften Lesers klar um die offizielle Position des ISB (und damit des Bundes)
zur Frage Linux und Open-Source-Software. Für mich richtet sich die
Publikation klar an Laien und einfache Anwender, die, aufgrund der dem ISB zugedachten
Rolle, annehmen müssen, dass hinter der Veröffentlichung Beschlüsse des
Bundes stecken.

Für diese Zielgruppe ist es nicht massgeblich, ob die "Studie" der Metagroup
wissenschaftlich, sachlich korrekt oder substantiell unterlegt ist. Es ist
für diese Leute auch nicht wichtig, ob die darin gefundenen Schlüsse den
aufgeführten "Fakten" widersprechen. Massgeblich für Nicht-Fachleute ist, dass die
"Studie", aus der hervorgeht, dass Open-Source-Software nicht eingesetzt
werden soll, vom ISB publiziert wurde.

Genauso gut könnten Sie auf der Seite schreiben:

"Open-Source-Software bietet keine Vorteile und wird darum nicht
eingesetzt."

Unbedarfte Besucher Ihrer Seite würden dieser plakativen Aussage ebenso
glauben schenken wie dem Dokument von der Metagroup weil die Aussage durch das
ISB verbreitet und damit als authorisiert betrachtet wird.

Darf ich Sie darum bitten, auf den Seiten Ihrer Organisation die
Veröffentlichung von (wie das ISB sinngemäss sagt) "bedeutungslosen Dokumenten, die im
ISB stapelweise herumliegen" dementsprechend zu deklarieren? Ich habe das
Gefühl, dass die Überschrift:

"Positionspapier zum Einsatz von Linux und OpenSource"

nicht die gleiche Aussage trifft wie die oben genannte Auskunft, die das ISB
einem Reporter gegeben hat.

Aber zum steuerliche Aspekt:
Soweit mir bekannt, ist es gut, ein Produkt oder eine Leistung auf dem
Inlandsmarkt zu verkaufen, besser wäre es, etwas zu exportieren. Triff dies zu,
ergibt sich logischer Weise, dass es schlecht ist, etwas zu _importieren_,
besonders dann, wenn der Preis unbekannt/unkalkulierbar ist. Im Falle der
Anschaffung von Microsoft-Software für die Verwaltung würden schweizer Steuergelder
ins Ausland fliessen. Die Gegenleistung besteht in dem zeitlich begrenzten
Recht, diese Software zu nutzen, durch deren Anwendung eine technologische
Abhängigkeit entsteht. (man könnte hier von einer Art virulentem Charakter
sprechen)

Microsoft führt bereits seit Monaten vor, welche Möglichkeiten in der
Preisdynamik mit einer Monopolstellung verbunden sind. Viele Unternehmen (weltweit)
haben die neue Lizenz- und Preispolitik von MS bereits zum Anlass genommen,
sich von Microsoft abzuwenden. Regelmässig sind in der Wirtschaftpresse
Erfolgsmeldungen zu lesen, aus denen hervorgeht, das (teils wider Erwarten) enorme
Einsparungen erreicht werden konnten. Versicherungskonzerne, Versandthäuser,
Industriebetriebe und -konzerne sind nach einer Umstellung nicht zuletzt von
den ökonomischen Auswirkungen Freier Software begeistert. Oder anders -
inzwischen ist praktisch in vielen Fällen unterschiedlicher Anwendungen erwiesen,
dass Microsoft- und andere proprietäre Software _teuer_ sind. Das dafür
erforderliche Geld im Falle des Bundes, werden die Steuerzahler aufbringen
müssen. Die meisten wissen gar nicht, dass sie darüber entscheiden sollten. Die
wenigen, die sich dafür interessieren, werden durch Ihre "Positionspapier" in
die Irre geleitet. Es könnte der Verdacht entstehen, dass hier eine
zielgerichtete Beeinflussung interessierter Bürger versucht wird.

Besonders erschreckend ist der Lawineneffekt, der durch einen Entscheid hin
zu proprietärer Software erzeugt wird. Wenn der Bund Dokumente (wie auf dem
Webserver des ISB) im Micorosoft-Word-Format zur Verfügung stellt, oder gar
einen Enscheid zur Verwendung dieser Software und (schlimmer noch) ihrer
proprietären Formate fällt, werden _alle_ Gemeinden der Schweiz gezwungen, ihre
Software ebenfalls bei Microsoft zu kaufen und sie werden sich daran gewöhnen,
bis sie nicht mehr anders können. Entwicklungen wie "Palladium" dienen dazu,
genau diesen Effekt zu zementieren.

Ich selbst habe verfolgt, wie, nicht zuletzt wegen der "Kompatibilität", in
meiner Gemeinde (Wil/SG) vor wenigen Tagen knapp 200.000,- CHF für die
Beschaffung von Microsoft-Software bewilligt wurden. Geld, dass direkt aus meinen
Steuerzahlungen aufgebracht wird.



Ich bin weiterhin der Meinung, dass der Einsatz von proprietärer Software,
deren Quellcodes ausschliesslich einer fremden Macht vorliegt, welche sich in
letzter Zeit gegenüber Europa als recht aggressiv gezeigt hat, nicht nur den
Steuerzahler um Geld beraubt, sondern eine beängstigende Gefährdung des
Gemeinwesens, der Verwaltung und der Gesellschaft in der Schweiz und in Europa
darstellt. Wäre der Einsatz proprietärer Software ebenso unbedenklich, wenn sie
aus dem Irak oder Nordkorea stammen würde?

Wie die Verfechter der Mircrosoft-Software immer wieder klarstellen, ist der
besondere Vorzug von Microsoft-Software, dass sie mit Microsoft-Software
kompatibel ist. Einerseits ist diese Annahme nicht zutreffend, andererseits ist
sie der Beweis dafür, das eben diese Verfechter bereits abhängig von
Microsoft sind. Mit der Abhängigkeit von Microsoft, sind wir auch vom Wohlwollen der
USA abhängig und werden somit zum strategischen Spielball in einem Spiel,
dass in Europa niemand gewinnen kann.

Die Abhängigkeit von proprietären Softwareprodukten ist wie ein Loch im
Geldbeutel. Der Monopolist kann sich durch dieses Loch beliebig bedienen und im
Zweifelsfall seine eben beschriebene Macht benutzen um beliebige Forderungen
geltend zu machen. Im Falle des Bundes, handelt es sich bei diesem Geld um die
Steuergelder der Bürger.


Wenn Sie die internationalen Nachrichten auf dem Gebiet der IT verfolgen,
wird Ihnen sicherlich nicht entgangen sein, dass inzwischen sogar verschiedene
Staaten in den USA Angst vor der Monopolstellung Microsofts haben und aus
diesem Grund in verschiedenen Staaten der USA Schulverwaltungen,
Regierungsbehörden und andere öffentliche Einrichtungen den Wechsel auf Freie Software
erwägen und teilweise bereits vollzogen haben. Ich glaube, dass dieser Umstand
allein bereits Grund zum Nachdenken über unsere derzeitige Situation geben
sollte.


Als Techniker und Systementwickler mit ausgeprägten Langzeiterfahrungen mit
Microsoft-Systemen, Microsoft-Support und Microsoft-Geschäftsgebaren, sowie
(inzwischen) mehrjährigen Erfahrungen mit Freier Software, fühle ich mich in
der Lage, die verschiedenen Aspekte des Softwareeinsatzes wie

 * ToC (Total cost of ownership)
 * Stabilität
 * Sicherheit
 * Kosten/Nutzen Verhältnis
 * Anpassungsfähigkeit
 * Abhängigkeit von Herstellern
 * Wirtschaftlichkeit

von beiden Seiten aus beurteilen zu können. Dennoch würde ich nicht wagen,
eine derart unprofessionelle "Studie" über Open-Source und Linux abzuliefern,
ganz gleich mit welcher Kernaussage.


Die einfachste Art, zu vermeiden, unbedarfte Nutzer und Laien in die Irre zu
führen sehe ich darin, die Seite von Ihrem Web-Server zu entfernen, bis
tatsächlich Beschlüsse über die Verwendung Freier Software gefasst wurden. Ich
schätze, dass das Entfernen einer Webseite in ca. 10min. erledigt sein kann und
ich bitte Sie, dies umgehend zu veranlassen. 

An jedem Tag, den diese Seite länger auf dem Netz sichtbar ist, werden
weitere Bürger und Behörden die (auch vom ISB als bedeutungslos bezeichnete)
Information zur Kenntnis nehmen und auf dieser Basis Beschlüsse fassen, die allen
Steuerzahlern jahrzehntelang auf der Tasche liegen werden.

Vielen Dank,
Manfred Morgner

PS: Ich sende diese Email als Kopie an die Wilhelm-Tux-Mailingliste, weil
die Diskussion dort begonnen hat und sicher auch weitergeführt wird. Der Inhalt
ist meine private Meinung. Ich bin weder Sprecher noch Mitglied von
Wilhelm-Tux und vertrete auch keine andere Organisation.

-- 
+++ GMX - Mail, Messaging & more  http://www.gmx.net +++
NEU: Mit GMX ins Internet. Rund um die Uhr für 1 ct/ Min. surfen!

_______________________________________________
wilhelmtux-discussion mailing list
wilhelmtux-discussion at wilhelmtux.ch
http://wilhelmtux.ch/mailman/listinfo/wilhelmtux-discussion