[wilhelmtux-discussion] Zisch und browser

Manfred.Morgner at gmx.net Manfred.Morgner at gmx.net
Fre Dez 6 17:53:18 CET 2002


Hallo Nicola,
Hallo Liste,

ok - ich denke, ich sollte wirklich etwas mehr dazu sagen.

Es geht mir nicht darum, einen Browseranteil von <1% in den Mittelpunkt der
Entwicklungsarbeit "hochqualifizierter Fachleute" zu stellen, während wir
heute wieder zu 80/20-Lösungen tendieren.

Es ist auch richtig, dass die allermeisten Internetnutzer mit dem blanken
Hinterteil im Netz herumhuschen, bis ihre Kiste abraucht - wenn sie Glück
haben. Wenn sie Pech haben holt sich jemand ihre Daten und sie merken nichtmal
etwas davon.

Alles kein Thema - die Leute sind halt so und MS ist die einzige Firma auf
der Welt die dies nicht nur erkannt hat, sondern auch _bewust_ in Geld
umwandelt.

(1) Projekt

Es geht mir um etwas komplett anderes, nämlich die Herangehensweise bei der
Entwicklung eines Projektes. Zu den ersten und alles bestimmenden Fragen
gehört:

(a) Was ist der Gewinn aus dem Projekt?
(b) Was soll mit dem Projekt erreicht werden?

Es geht hierbei nicht um Technik, Programmiersprachen, Halbfertigprodukte
oder Outsourcing. Es geht rein um die writschaftlichen Grundfragen, an denen
das Projekt geplant und gemessen werden sollte. Ich spreche hier von -sollte-,
weil das in der Realität (speziell bei Softwareprojekten) normaler Weise
nicht wirklich getan wird.

Noch mitten in der Projektvorbereitung wird über Technik und Technologie
diskutiert. Die Techniker bestimmen so den Inhalt der Projekte auf Basis IHRER
KENNTNISSE (nicht der tatsächlilchen Möglichkeiten) mit und machen so die
Projekte von bestimmten Techniken abhängig. Beispielsweise von Lotus Domino, ASP,
.NET, Apache, Perl, PHP und diversen Content Management Systemen.

Infolge dessen ist die Projektdefinition plötzlich nicht mehr vom Inhalt,
sondern von den Techniker getragen. Typischer (und logischer) Weise werden
solche Projekte später mit grossen Tamtam und Blutvergiessen unter der
Belegschaft zu Grabe getragen und die Geschäftsleitung beklagt sich, dass eBusiness
nicht funktioniert. Kein Wunder - wenn das so läuft wie es das bei "zisch" tut.

Das Projekt ist ja wohl von Domino, ASP, Javascript und anderen
Scheinlösungen ABHÄNGIG. Unter www.kommdesign.de kann man nicht nur dazu viel
interessantes Nachlesen. Ich glaube, man kann sich dort auch Rat holen, sofern man
lernwillig ist - aber ich habe dort keine Aktien, also soll jeder machen was er
für richtig hält.

(2) Technik

Es gibt im Internet tausende Seiten, die "einfach so" funktionieren und
billig oder teuer waren. Es gibt auch Seiten, die funktionieren und mit Domino
und ASP laufen. Bei einem Projekte, dass sich an Kunden wendet, die "normale
User" oder sogar "unterdurchschnittle User" sind, kommt es darauf an, die
Technik auf seiten der Kunden soweit als möglich transparent (_unsichtbar_) werden
zu lassen.

Hinweise wie "Optimiert für ..." oder gar Warnungen wie "Achtung: läuft nur
mit..: " verunsichern JEDEN normal-User, ganz gleich ob sein System den
Anforderungen genügt oder nicht. Aus diesem Grund haben sie absolut nichts auf
derartigen Seiten zu suchen.

Daraus ergibt sich, dass es keine Möglichkeit gibt, Einschrängungen
zuzulassen. Besonders hinsichtlich der Eignung für bestimmte Browser oder
Betriebssysteme. Dies ergibt sich auch aus der Anforderung, dass normal-User "einfach
so" mit den Seiten zurecht kommen sollen. Es stellt sich hierbei nicht die
Frage, wieviel Prozent der Nutzer diesen Service nutzen können, sofern diese
Nutzer über einfache Mittel zum betrachten und arbeiten mit Webseiten verfügen.
Selbst Forderungen hinsichtlich der Versionen der Webbrowser sind davon
eingeschlossen.


(3) Sicherheit

Die Verwendung von Java, JavaScript, ActiveX, Flash/Shockwave und anderen
aktiven Inhalten, ist ein Sicherheitsrisiko. Anbieter, die von ihren Kunden
derartige Funktionen verlangen (wie hier), zwingen ihre Kunden, ihre
Systemsicherheit zu gefährden. 

Dies triff in besonderer Weise zu auf Windows95, Windows98, WindowsMe,
WindowsXP-PersonalEdition, aber auch auf WindowsNT, Windows2000-Professional und
WindowsXP-Professional. Zumindest solang letztere von Privatpersonen oder den
häufig anzutreffenden unfähigen Systemadministratoren verwaltet werden.

Selbst im Unix-Bereich mit Unix, BSD, Solaris, Linux usw. bestehen
Gefährdungen durch aktive Inhalte. Die Risiken dieser Systeme besteht darin, das
normal-User, die ihr System unter einem User-Account benutzen (also nicht
windowsmässig als Admin/Root arbeiten - wie dies oft bei SuSE- und RedHat-Usern
anzutreffen ist) zwar das System nicht ermorden können, wohl aber ihre Daten.
Diese Gefahr besteht für alle Daten, also nicht nur lokale, sondern auch Daten im
Netzwerk.

Durch Sicherheitsfehler in aktiven Subsystemen (also Scriptinghost, JRE,
JS-Interpreter, Flash-Plugin usw.) können alle Daten zerstört werden, auf die
der Nutzer schreibrechte hat. Es ist niemals auszuschliessen, dass es solche
Sicherheitsprobleme geben kann. So wurde (sicherlich nichts neues und
sicherlich nicht unerwartet) im Flash-Plugin auch unter Unix-Versionen ein Fehler
entdeckt, der den Zugriff auf das Dateisystem des Computers ermöglicht. Soweit
ich mich entsinne lesend und schreibend - also tödlich.

Die EINZIGE Lösung für dieses Problem ist, keinerlei aktive Inhalte beim
Anwender/User zu verlangen. Die Entwickler von MS-Frontpage tragen dieser
Anforderung Rechnung, indem sie alle aktiven Navigationselemente (z.B. Hoverbutton)
so umsetzen, dass sie ohne Unterstützung aktiver Inhalte seitens des
Anwenders zwar nicht mehr hovern, aber immernoch ihre Primärfunktion ausführen.

(4) Verantwortung

Der Leiter eines Projekte trägt eine enorme Verantwortung. Die Themen sind
breit gefächert, darum ist Projektleiter in der normalen Industrie auch ein
hochangesehener Job. Die Verantwortung eines Projektleiters besteht darin, die
Anforderungen der Geschäftsleitung bzw. des Auftraggebers mit den Erwartungen
und Erfordernissen auf Kundenseite unter Beachtung der ökonomischen Faktoren
so mit der Technik in Einklang zu bringen, dass am Ende eine Lösung
realisiert werden kann, die 

(a) Ökonomisch ist
(b) Technisch realisierbar ist und wartbar bleibt
(c) Dem Projektziel entspricht
(d) Den Wünsche, Erwartungen und technischen Möglichkeiten auf Kundenseite
Rechnung trägt
(e) Allen Beteiligten gegenüber verantwortbar ist.

Vor der Frage nach dem Einkauf von Hard- und Softwarekomponenten steht also
die weitaus kompliziertere Frage nach dem Projektrahmen aus den o.g Punkten.
Für die technische Sicht ist es (besonders bei Internetapplikationen)
irrelevant, ob der Projektleiter die nötigen technischen Kenntnisse besitzt. Der
simple Einkauf eines bunt umworbenen eProduktes, wie z.B. Lotus Domino oder
MS-ASP/IIS ... führt in erster Hand zu gar nichts als zu neuen Problemen.

Um ein Internetprojekt aufzubauen muss sich der Projekteleiter seiner breit
gefächerten Verantwortung bewust sein. Bewaffnet mit diesem Gefühl, kann er
im Internet mittels Maus und Computer Projekte suchen, die seinem Projektziel
am nächsten kommen (also dem kompletten Ziel - nicht nur den Träumen der
Geschäftsleitung) und dann Kontakt mit den Leuten aufnehmen, die das beste
Projekt erzeugt haben, dass er finden konnte. Er kann sie fragenwie sie es gemacht
haben oder um Unterstützung ersuchen usw. (das Spektrum der Möglichkeiten ist
so gross wie die Eignung des Projektleiters).

Anschliessend kann der Projektleiter eine technischen und zeitlichen Plan
aufstellen und die Mittel und Resourcen koordinieren. In diesem Zusammenhang
berührt das Projekt das erste mal die Technik.

Ich bin überzeugt, dass in diesem Moment Lotus Domino eher selten auf der
Liste der Erfordernisse steht. Domino ist sicher ein gutes Produkt, das bei
korrekter Anwendung vielen Leuten die Arbeit erleichtert, den Redakteuren ein
gutes Werkzeug sein kann und die Programmierer der Logik bei ihrer Arbeit
unterstützt. Obwohl ich Domino nicht leiden kann, würde ich sagen, wenn es die
optimale Lösung ist, dann soll man es einsetzen.

Im Fall von "zisch" wird Domino aber nicht korrekt eingesetzt, sondern eher
so wie es die Werbung empfiehlt, nicht der Fachmann. Ich habe schon
Dominoseiten gesehen, die gut funktionierten, ohne browserspezifische Einschränkungen
der Funktion. Der Einsatz bei "zisch"  ist aber am ehesten mit einem Mann zu
vergleichen, der einen Nagel mit dem Werkzeugkasten in die Wand schlägt
anstatt den Kasten zu öffnen und den Hammer herauszuholen.

In diesem Fall ist die Lösung doppelt schlecht, denn erstens gefährdet sie
die Sicherheit und die Privatsphäre der Nutzer (sehr schlecht!) und zweitens
ist es herausgeschmissenes Geld, denn ein falsch eingesetztes Werkzeug ist in
jedem Fall zu teuer. Man hätte die schlechte Lösung auch billiger haben
können.

Weiterhin trägt der Projektleiter eines Internetprojektes die Verantwortung
für das öffentliche Ansehen des Auftraggebers/der Geschäftsleitung. Eine
schlechte Arbeit rächt sich mit dem gleichen Beschleunigungseffekt, mit dem das
Internet eine gute Arbeit belohnt. Im Internet ist die Konkurrenz nur einen
Mausklick entfernt.

In diesem Zusammenhang trägt der Projektleiter die Verantwortung für das
Ansehen der Firma, deren Mitarbeiter und für die ökonomischen Konsequenzen. Kein
Internetauftritt ist in jedem Fall besser als ein schlechter
Internetauftritt.

(5) Management

Der Projektleiter muss, wie gesagt, ein komlexes Netz aus Anforderungen und
Bedinungen beherrschen und korrekte Entscheidungen treffen. Diese
Enscheidungen sind keine Entscheidungen, die irgend jemandem Gefallen müssen. Weder der
Geschäftsleitung noch den Technikern noch ihm selbst. Die Entscheidungen
müssen dem Projekt genügen. Darum muss ein Projektleiter seine Entscheidungen
begründen können ("Es ist noch niemand hinausgeworfen worden weil er IBM gekauft
hat" ist keine Begründung - eher ein Entlassungsgrund wegen Inkompetenz) und
sie erforderlichenfalls auch gegen die Träume des Auftraggebers durchsetzen.

Nur der Projektleiter besitzt (oder besitzt nicht) die fachliche Kompetenz
um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es ist nicht Aufgabe der
Geschäftsleitung, technische Lösungen technisch zu hinterfragen, dazu ist die
Geschäftsleitung hoffentlich nicht befähigt (die Leute sässen sonst am falschen
Platz).

Ein IT-Projekt muss beherrschbar und damit auch ökonomisch berechenbar
bleiben. Es darf keinerlei Personalbindung erzeugen und muss so aufgebaut sein,
dass durchschnittlich ausgebeildete Mitarbeiter es pflegen und betreiben
können. Es muss so ausgelegt sein, dass Änderungen an Hard- oder Systemsoftware
möglich sind ohne alles neu zu entwickeln. Und es muss seine Betreibern nd
Nutzern das Leben erleichtern.

Wenn dies nicht gelingt, wird das Projekt sterben (ich kenne genügend solche
Projekte). Wenn dieser Tod im falschen Moment eintritt, kann die gesamte
Firma daran sterben. Dieses Dahinscheiden ist aber nicht das Ende, es ist der
Anfang eines besseren Weges.

Das heutige Management steht der IT zumeist ziemllich hilflos gegenüber. Den
Leuten fehlen mehrheitlich die mindesten Grundlagen in der Anwendung von
Computern und sie glauben - wie die meisten anderen Anwender - das sie den
Computern nicht gewachsen sind. Die kommende Generation Manager hat dieses Problem
weniger bis gar nicht. Sie werden IT-Projekte angemessen ökonomisch bewerten
und kalkulieren. IT wird von der Wissenschaft selbst ernannter Gurus zum
normalen technischen Hilfsmittel wie Maschinenbau oder Elektrotechnik. Demnächst
werden Leute auf der Bildfläche erscheinen, die keine Angst haben, sich vor
dem blassen Spund aus dem IT-Labor zum Affen zu machen, die statt dessen
funktionierende Systeme verlangen. Es wird auch dazu kommen, dass die
Verantwortlichen für Systemzusammbrüche dort gesucht werden, wo sie sind - in der
eigenen IT-Abteilung.

Dieser Prozess hat bereits begonnen und er wird Leute wie die vom
"zisch"-Projekt ebenso auf die Strasse spucken wie ganze Firmen, die der Entwicklung
nicht wenigstens folgen. Überflüssig zu sagen, dass ich mich über jeden
derartigen Vorfall diebisch freue, denn inkompetente IT-Projektleiter saugen mir das
Leben aus den Adern wie Vampire das Blut. Durch die Art, wie sie Projekte
verschleppen, Technologien verderben und die Entwicklung bremsen, sind sie
allein daran schuld, dass die IT-Landschaft ein Tummelfeld für arbeitslose
Physiker, selbsternannte Gurus und abgedrehte Erfinder ist. Der grösste Anteil
meiner Zeit geht dafür verloren, mich mit Problemen auseinanderzusetzen, die
solche Leute verursacht haben und jeden Tag muss ich befürchten, dass die Firma,
in der ich arbeite daran zugrunde gehen kann.

Es gibt noch eine Menge andere Sichtwinkel, unter denen die Aussagen von
"zisch" negativ dastehen, aber ich glaube nicht, das technische Diskussionen
weiterführen, denn das Problem liegt nicht im technischen Bereich. Die Kunden
stimmen heute auch mit der Maus ab. Und das freut mich.

Gruss,
Manfred.












> On Fri, 2002-12-06 at 01:18, Manfred Morgner wrote:
> > Diese Antwort enthält fas jeden möglichen Beweis fachlicher Inkompete
> nz.
> > Darum könnte man sie prima als Vorlage für eine öffentliche Erklä
> rung im
> > Zusammenhang mit ... usw. benutzen.
> 
> könntest du (kurz) zusammenfassen, wo du diese inkompetenzen siehst?
> nicht dass ich mit dir überhaupt nicht einverstanden bin - aber wenn wir
> vom mail von erwin irgendwas von zischnet.ch (Sic!) reden, finde ich das
> _etwas_ übertrieben.
> 
> gruss
> nicola
> 

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