RE: [wilhelmtux-discussion] Microsoft Logo auf ETH Gebäude

Marc Holitscher Marc.Holitscher at microsoft.com
Tue Apr 24 14:09:13 CEST 2007


Grüezi miteinander,

da ich in diesem Thread persönlich angesprochen werde, erlaube ich mir, unseren Standpunkt darzustellen. Sorry, wenn das Email etwas länger wird.

Microsoft hat ein natürliches Interesse daran, die Open Source-Community und die Repräsentanten all ihrer Schattierungen besser zu verstehen. Dies darum, weil wir uns von Open Source einen klaren Geschäftsvorteil erhoffen. Allerdings geschieht dies nicht wie behauptet durch Marginalisierung oder Unterwanderung, sondern durch die gezielte Förderung der Interoperabilität mit der Open Source-Welt.

Microsoft hat verstanden, dass professionell vermarktete Open Source-Lösungen (oder die Anbieter davon) ernst zu nehmende Konkurrenten sind. Als kommerzielle Softwarefirma wollen wir im freien Wettbewerb gegen diese Produkte gewinnen - genau gleich wie wir gegen die Angebote von anderen Mitbewerbern gewinnen wollen, seien das Oracle-Datenbanken oder SAP-Systeme. Auch zu diesen Firmen pflegen wir übrigens regen Kontakt, mit den meisten kooperieren wir sogar in ausgewählten Bereichen (i.e. Duet).

Wir sind der Ansicht, dass die Welt heute schlicht zu komplex geworden ist, als dass man sie nur in Schwarz-Weiss betrachten kann. Das selbe gilt für die Bedürfnisse unserer Kunden. Die Realität ist, dass die meisten Kunden heute gemischte IT-Umgebungen haben, also Microsoft und OSS-Produkte nebeneinander betreiben. Es ist sicher nicht falsch zu sagen, dass wir in dieser Beziehung gewisse Lernprozesse durchgemacht haben.

Umso mehr haben wir ein grosses Interesse daran, unsere Plattform auch in heterogenen Umgebungen so zu positionieren, dass die Anwender einen optimalen Mehrwert davon haben. Damit ist es nur konsequent, wenn wir uns auch in gemeinsamen Projekten mit Unternehmen aus der Open Source-Welt engagieren. Beispiele dafür gibt es einige: So arbeiten wir beispielsweise mit der Firma Zend Technologies daran, PHP für den Einsatz auf Windows Server zu optimieren. Auch mit Unternehmen wie JBoss oder SugarCRM feilen wir an der Verbesserung ihrer Produkte für den Betrieb auf der Microsoft Plattform.

Die Logik dahinter ist eine einfache: Wir wollen, dass die Anwender ihre Open Source-Projekte auf der Microsoft Plattform betreiben - wenn sie denn Open Source nutzen wollen. Keinesfalls sollen sie aber durch schlechte Performance oder Kompatibilitätsprobleme ihrer bevorzugten Produkte zu einem Wechsel auf Linux gezwungen werden. Indem wir erfolgreiche Open Source-Produkte für unsere Plattform optimieren, steigern wir den Mehrwert der Microsoft Plattform insgesamt.

Ein konkretes Beispiel: Mehr als 40% aller JBoss-Installationen werden auf der Microsoft Plattform betrieben. Allerdings war die Software lange Zeit nicht gleich performant wie auf Linux. Wir haben uns mit JBoss zusammengesetzt und dieses Defizit behoben. Danach sind nicht nur die Verkäufe von JBoss merklich angestiegen, es wurden auch mehr Windows Server verkauft.

So gesehen bedeutet Open Source für Microsoft eine weitere Geschäftsmöglichkeit. Allerdings profitieren auch die Anbieter von Open Source-Produkten und schliesslich die Community selbst davon, denn der optimierte Code geht wieder zurück an sie.

Der Autor des referenzierten Artikels im Linux Journal sagt, dass er den Begriff "Coopetition" auf Deutsch gesagt zum Kotzen findet. Das ist sein gutes Recht. Meiner Meinung nach schrumpft sein Horizont damit aber auf einen Standpunkt zusammen; für die konstruktive Diskussion ist das bedingt spannend und ich wünsche ihm viel Spass in seiner kleinen Welt.

Ich glaube, dass kommerzielle Open Source (und davon gibt es ja immer mehr) und Microsoft keineswegs ein Widerspruch sind, die Interessen überlappen sich stärker als man vielleicht annehmen möchte. Dies wiederum hat nichts damit zu tun, dass wir im freien Markt wenn immer möglich unsere eigenen Produkte verkaufen und gegen Open Source gewinnen wollen.

Ich habe das beschriebene Mittagessen mit Theo Schmitt ebenfalls sehr genossen. Für mich war es ein weiterer Schritt, eine Brücke zwischen unseren Welten zu bauen - und damit meine ich keine Invasionsbrücke. Insofern bin ich sowieso überzeugt, dass technische Interoperabilität ohne Kontakte auf einer zwischenmenschlichen Ebene nicht zu schaffen ist.

Mit den besten Grüssen,

Marc Holitscher


Marc Holitscher
Lead Platform Strategy
phone +41 (0)78 844 66 58
Microsoft Schweiz GmbH
Richtistrasse 3, CH-8304 Wallisellen


-----Original Message-----
From: wilhelmtux-discussion-bounces+marc.holitscher=microsoft.com at wilhelmtux.ch [mailto:wilhelmtux-discussion-bounces+marc.holitscher=microsoft.com at wilhelmtux.ch] On Behalf Of Theo Schmidt
Sent: Dienstag, 24. April 2007 10:12
To: Wilhelm Tux Diskussionsliste
Subject: Re: [wilhelmtux-discussion] Microsoft Logo auf ETH Gebäude

Visvanath Ratnaweera schrieb:
...
> Microsoft is taking a page out of Sun Tzu's <<Art of War>>; it likes
> to keep its enemies close. Microsoft knows that Linux has become 100x
> the threat that it ever thought it would be, and its philosophy has
> become one of standing next to the competition in the buffet line
> to see what they eat next.

Das kann man durchaus wörtlich nehmen! Ich habe immer gewusst, dass
Microsoft durchaus effektiv massgebende Leute freundlich behandelt - ein
  "Reisli" u.a. von SP Nationalrat Peter Vollmer ist mir noch in
Erinnerung - und Leute zum Essen einlädt. So fühlte ich mich auch
geehrt, von Microsoft's Marc Holitscher, der auch Mitglied dieser Liste
ist, in ein angenehmes Lokal in der Zürcher Altstadt eingeladen zu
werden. Wir hatten ein konstruktives, angenehmes Gespräch hauptsächlich
um offene Formate, und mir wurde klar, dass die Methode funktioniert. Es
ist sicher ein besseres Gefühl sich von freundlichen Menschen
geschmeichelt zu fühlen, - auch wenn es sich um den politischen Gegner
oder geschäftlichen Konkurrenten handelt - als sich mit Gleichgesinnten
um Details zu streiten, was bei uns viel zu oft der Fall ist. Marc
Holitscher betonte übrigens, dass Microsoft nicht die freien
Linux-Systeme als Konkurrenten ansieht, sondern die kommerziellen, wie
wir zum Teil ja auch. Trotzdem machen sie natürlich Werbung für
Partner-Konkurrent Novell, nicht für Debian.

Ein Geschenk - auch ein Werbegeschenk - funktioniert immer, auch wenn
man es durchschaut, wenn es nicht völlig daneben ist. Nur mit besonderem
psychologischem Rüstzeug kann man sich der Wirkung entziehen. Ich werde
z.B. das Essen "weitergeben" und meinerseits eine(n) Politiker(in) einladen.

Wenn die Methode schon bei mir und den bekannten Fällen funktioniert,
kann man nur ahnen, wieviele andere Leute eben z.B. bei der ETH
kontaktiert wurden.

Ein Film im Arte-TV Themenabend "Die neuen Herren der Welt" zeigte, was
Realität ist: der Film erzählte die Geschichte von Bill Gates und Steve
Jobs sowie Partnern. Er überzeichnete zwar stark, aber hinterlies bei
mir das Gefühl bei Steve Jobs als ein Marketing Genie aber auch als
arrogantes Ekel. Bill Gates kam ein bisschen besser weg, aber es wurde
klar, dass der Reichtum von Microsoft wie ursprünglich bei Apple auf
Übervorteilung und Ausnutzung anderer beruht(e). Klar wurde auch, dass
es um Schein statt Sein geht: Jobs sagte Gates: "Aber unser System ist
doch einfach besser." Gates erwiderte: "Steve, du hast es immer noch
nicht kapiert: das spielt doch nicht die geringste Rolle!" (Keine
Ahnung, ob die Zitate echt sind.)

Theo Schmidt

_______________________________________________
wilhelmtux-discussion mailing list
wilhelmtux-discussion at wilhelmtux.ch
http://wilhelmtux.ch/vmailman/listinfo/wilhelmtux-discussion



More information about the wilhelmtux-discussion mailing list