[wilhelmtux-discussion] Artikel ??ber OLPC in Tagesanzeiger

Manfred Morgner manfred.morgner at gmx.net
Wed Oct 4 01:36:53 CEST 2006


Hallo Beat,
Hallo Liste,

   Am 03.10.2006 um 08:39 schrieb Beat Rubischon:
> Fuer mich hat die Diskussion viel Politisches drin: Will man als  
> Gruppe zur
> Unterstuezung von freier Software eine Kommerzialisierung, wie sie  
> von SuSE
> und auch RedHat betrieben wird, unterstuetzen, tolerieren oder  
> bekaempfen?

Das sehe ich genau so. Hier handelt es sich um Grundsatzfragen.  
Speziell politisch ist es schwierig mit Flexibilität anzutreten. Das  
kommt nicht gut, besonders wenn es um ein Thema geht, dass der  
Zielgruppe (Politiker) gleichgültig und viel zu technisch und  
abstrakt ist.

Ich beobachte im Datenverkehr zwischen Geschäften im Kreis der  
Techniker das überwiegende Fehlen jeglicher Fachkenntnis über  
Sicherheit, weitgehendes Desinteresse an Stabilität und  
Zuverlässigkeit sowie eine unvorstellbare Blauäugigkeit bei der  
Umsetzung von Projekten hinsichtlich der Mittel und Methoden.

Wenn die Manager wüssten, was ihre teueren IT-Mitarbeiter aber auch  
externe Berater alles verzapfen, würden sie kein Auge mehr zukriegen.  
Aus dieser Sicht spielt es allgemein gar keine Rolle, mit welcher  
Software man arbeitet. Wenn die Scheunentore offen sind, ist es egal,  
ob auf der Rückseite der Tor Linux oder Windows steht. So gesehen ist  
es dann auch egal, welche Software allgemein eingesetzt wird.

Auf der anderen Seite sind Manager (ich vermute, das gilt auch für  
Politiker) leichter von Tatsachen zu überzeugen als Techniker. Denn  
durch die Vogelperspektive der Manager kann man deren Blick auf die  
wichtigen Schwerpunkte lenken, während der Techniker viel zu  
beschäftigt ist um sich mit anderen Fragen als seinen  
Lieblingsinteressen zu befassen.

In der Industrie ist es allerdings deutlich leichter, Vorzüge und  
Nachteile gegenüberzustellen als in der Politik. Wenn ein Betrieb  
wirtschaftlich ins Schleudern gerät oder gar kollabiert weil sein  
Firmennetz von Viren heimgesucht wurde, hat das eine gewisse  
belehrende Wirkung. Wenn dergleichen in der Politik geschieht, sieht  
die Situation schon deutlich dramatischer aus. Während beliebig  
grosse Konzerne einfach zusammenbrechen können, ohne dramatische  
Folgen zu verursachen, kann ein technischer Kollaps in einer Behörde  
eine gesamtgesellschaftliche Katastrophe sein.

Da Unternehmen diese Tragweite niemals begreifen werden - ihr Fokus  
ist der Gewinn, nicht die Summe der Effekte ihrer Handlungen - ist es  
besser, sich also Behörde soweit irgend möglich von der Industrie  
unabhängig zu machen. Besonders im IT-/Softwarebereich. **Das heisst,  
dass auch kommerzielle Linux-Distributionen nichts in der Verwaltung  
zu suchen haben**. Statt Lizenzzahlungen und Einschränkungen der  
Handlungsfreiheit, sollten Behörden und Unternehmen das Geld in  
wirklich qualifiziertes Personal stecken.

Aber genau an dem Punkt schliesst sich der Kreis. Wie ermittelt ein  
Politiker/Manager, ob sein IT-Personal qualifiziert ist? Das ist  
möglicher Weise die tatsächlich Kernfrage bei der Betrachtung freier  
Software in Politik und Wirtschaft.

Die blosse Existenz von Möglichkeiten bedeutet nicht, dass diese auch  
genutzt werden! Offene Dokumentenformate müssen auch verwendet  
werden, statt mit OOo MS-Word-Dokumente zu speichern, damit die  
andere Behörde, die noch mit MS-Office arbeitet, diese Dokumente auch  
lesen kann. Die Anwender brauchen klare Vorgaben und die IT- 
Spezialisten müssen die Rolle der Informatik für ihren Brötchengeber  
begreifen lernen und dementsprechend handeln.

Wenn ich mir das alles überlege und mir vorstelle, ein Politiker wird  
sich dieser Situation bewusst, wundert es mich nicht, dass diese  
armen Leute den Kopf in den Sand stecken und einfach hoffen, dass  
während ihrer Amtszeit nichts schlimmes passiert.

Der Geschäftsfall 'Freie Software' in Politik und Wirtschaft ist ein  
Wagnis. Hier neue Wege zu gehen erfordert Mut, denn das  
Systemversagen lauert einfach überall, nur wenn jemand den Pfad der  
Tugend verlassen hat, ist er automatisch Schuld an jedem Problem,  
dass danach auftritt.

Soweit mir bekannt, gibt es aber kein einziges Berufsbild, dass eine  
Art Vermittler zwischen den Welten darstellt. Einen Vermittler der  
beide Seiten ausreichend versteht und im Sinne eines Ziele Technik  
und Management synchronisiert. Ohne einen solchen Beruf ist IT in der  
Wirtschaft ein Risiko und in der Politik potentieller Selbstmord.

Das alles sind natürlich keine Fakten, sondern meine Ansichten.

Viele Grüsse,
Manfred.

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