[wilhelmtux-discussion] Informatik Volksschule Stadt Bern [Grundsatz]

Theo Schmidt tschmidt at mus.ch
Fri Jan 13 10:17:23 CET 2006


Manfred Morgner schrieb:
> Hallo Theo, Hallo List,
> 
> die Frage, ob man mit Freier statt Unfreier Software Geld sparen  kann, 
> ist eine Sicht, bei der das Freie nur verlieren kann. 

Ich habe auch dieses Gefühl, aber es bleibt wohl nicht viel anderes
übrig. Bei den Abstimmungen geht es immer um Kredite, die man annehmen
oder ablehnen kann. Dazu kommt, dass die Leute punktuell nicht
oekonomisch denken. Würden sie es, würde niemand mehr mit Oel heizen,
Mineralwasser trinken, Nespresso-Kaffee kaufen, oder Auto fahren, da es
zu diesen allen teilweise sehr viel billigere und bessere Alternativen gibt.


> 1) Angestrengte Kostendiskussion mit immer abstrakteren Modellen  (z.B. 
> das völlig irrelevante TOC)

Was ist das?

...
> Strategisch wäre es also richtig, den 'Gegner' auf das Feld zu  führen, 
> vor dem er am meisten Angst hat == "Erwerb von  Kulturtechniken". Damit 
> möchte ich diesen Gedanken als eingepflanzt  betrachten. 

In den Botschaften der Verwaltung wird gerade dieser Erwerb von
Kulturtechnik als wichtig betont, also so etwa Lesen -> Schreiben -> ICT
(Information-Communications-Technology).


> ** Wird Richtige Frage gestellt?

Zweifellos nein.

...
> Ich denke, dass es kaum jemanden gibt, der in Frage stellen würde,  dass 
> die grösste Einsparung dadurch erzielt werden kann, dass man in  der 
> Schule KEINE Computer einsetzt.

Einge wenige, sehr wenige, stellen diese Frage. Bern hat mehrere
Varianten studiert von Informatik nur in den letzten beiden Schuljahren
bis zu Informatik schon im Kindergarten. Ich glaube, die Variante
Kindergarten wurde verworfen, aber nur *aus Kostengründen*!

Ich habe auch schon gelesen, dass PCs in den Klassenzimmern nicht viel
bringen ausser eben Informatik-Kenntnisse, auf der Primarstufe schädlich
seinen, und selbst auf Universitätsstufe eher kontraproduktiv wären.
Aber ich denke, die Minderheit, die das glaubt, ist dermassen klein,
dass wir nicht weiter diskutieren müssen.

Ich selbst betrachte PCs und ähnliche Geräte wie Handies als eine Sucht
und potentiell gefährlich, wie auch Fernsehen, Drogen und
Verkehrsmittel. Aber genau wie mit Drogen ist es vielleicht besser, sich
damit auszukennen als zu versuchen sie zu verbieten. Gestern wurde ja
der Entdecker von LSD, Albert Hoffmann, 100 jährig. Er findet, dass eine
seriöse Auseinandersetzung damit mehr gebracht hätte als das faktische
Verbot.

...
> 1) Was will man mit Computern im Schulzimmer erreichen?

Die Stadt Bern sagt: "Bestehen in der Informationsgesellschaft",
"gleiche Chancen".

...
> Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Schulen Computer kaufen  
> 'weil man das heute so macht' ...

Das wird wohl stimmen.

> und typischer Weise keine konkreten  Pläne
> zum Einsatz haben. Wenn dem so ist, ist es schlauer, sich mit  dem
> Aspekt der Freien Software zurückzuhalten, denn wenn es schon  eine
> schlechter Idee ist, wieso dann die gute Freie Software damit
> assoziieren und dadurch in Verruf bringen?

Wenn die Informatik von klein auf schon unausweichlich ist, halte ich
die Propagierung von Freier Software für umso wichtiger. Ich denke auch,
dass die Gesellschaft oder Teile davon sich wegen der
Informationstechniken vielleicht auf eine Weise verändern wie wir uns
das noch nicht vorstellen können, und eventuell sehr rasch. Da möchte
ich die Entwicklung schon nicht nur Microsoft und Co. überlassen.

...
> Der Einsatz von Computern in der Schule ist nur sinnvoll, wenn diese  
> Dinger als Hilfsmittel zum Erwerb erweiterter Kulturtechniken dienen  
> und nicht etwa dem Erleichtern des Denkens oder gar dem Erlernen der  
> Verwendung spezifischer Software. 

Ich glaube die Verwaltung sieht das auch so. Ob es gelingen kann, ist
eine andere Frage.

...
> Verwertung auszudrucken. Welches ist der standardkonformste  Web-Brower? 
> (1) Safari, (2) Konqueror, (3..n) nichts mehr

Auch wenn das stimmt, können wir uns auf das "Pushen" von den
plattform-übergreifenden Mozilla-Programmen einigen? Bei reinen Mac-
oder Linux-Umgebungen kann man dann natürlich schon 1) und 2)
bevorzugen. Ich persönlich finde den Konqueror genial und ein grosser
Vorzug von KDE und Linux-Systemen (wobei Konqueror auch gut mit anderen
Oberflächen funktioniert).

...
> Die ewige Diskussion über die Wiederherstellung von verstümmelten  
> Betriebssysteminstallationen finde ich absurd. Wenn ich einen  Computer 
> zur Informationsrecherche und zum geistigen Austausch mit  anderen 
> verwende, werde ich mich dann darüber freuen, wenn jede Woche  einmal 
> alle meine Emails, Rechercheergebnisse und Kontakte infolge  
> turnusmässiger, präventiver Systeminstallationen verschwinden? Wohl kaum.

Es geht ja nicht darum, Daten zu löschen. Das Problem ist gerade die
Trennung von System, Inhalt und Einstellungen. Das ist sogar bei einem
Knoppix-System schlecht gelöst. Sobald man irgendwelche Einstellungen
speichert und dabei etwas "schief geht" kann man entweder mühsame
Reparatur-Arbeit leisten oder von vorne anfangen. Ich arbeite gerade auf
einem lieb-gewonnenen Debian-System, welches ich nicht mehr
rekonstruieren kann wenn es abliegt und mich gleichzeitig hindert, allzu
viele neue Sachen zu probieren.


> Richtig ist die Errichtung produktiver Systemumgebungen, also solcher  
> Systemumgebungen, die ein Niveau besitzen, mit dem die Schüler ihre  
> Aufgaben umsetzen können, nicht aber das System selbst beschädigen;  
> weder bewusst noch unbewusst. Die zur Debatte stehende Unfreie  
> Systemumgebung ist dafür klar ungeeignet.

Gibt es mehr als kosmetische Unterschiede für die Anwender zwischen
Windows Thin Clients und Linux Thin Clients?

...
> Thema 4: Was soll die Bildungspolitik erreichen?
> 
>  Ziel A) Abgerichtete Anwender spezifischer Produkte erzeugen
>  Ziel B) Den Schülern das Denken und die Anwendung etablierter  
> Technologien vermitteln

Ich denke B) wird angestrebt und A) erreicht.


> Schlussfolgerung:
> 
> Besonders im Fall der Schulen, hat es nicht wirklich Sinn, sich in  
> jedem Schulbezirk wund zu machen. Wichtiger ist die  
> Grundsatzdiskussion. 

Ich glaube, du hast Recht. Aber ich weiss nicht wie wir eine solche
auslösen könnten. Die Stadträte von Thun und Bern, die ich kontaktierte,
waren allenfalls für Diskussion über Freie Software bereit, aber nicht
für Grundsatzdiskussionen.

...
> Die Industrievertreter der heutigen Industriestaaten werden nicht  müde, 
> zu betonen, wie schlimm die chinesischen Produktkopien und  
> Billigprodukte für die Importländer sind. 

"Schuld" sind nicht so sehr die Politiker, sondern wir Konsumenten, die
das Zeug kaufen. Und Firmen wie Zyliss, die nach China "zügeln" und
"designed in Switzerland" auf ihre Sachen schreiben. Immerhin noch
ehrlicher als "Bündnerfleisch".


> Dass die Schüler in Europa  
> zunehmend dümmer aus den Schulen kommen und gar nicht mehr denken  
> können, stört niemanden. Dabei ist genau dies die Wurzel unseres  
> Untergangs.

Vielleicht siehst du da ein bisschen schwarz? Ich habe zwar auch
manchmal das Gefühl, aber das hat wohl jede Generation von der jüngeren.

...
> Tut mir leid, Euch mit meinem Erguss gequält zu haben.

Gar nicht gequält. Sehr interessant.

Theo Schmidt



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