[wilhelmtux-discussion] [SIUG-announce] SIUG Newsletter November 2003

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Fri Oct 31 07:16:54 CET 2003



                       SIUG Newsletter

                       November 2003 

In dieser Ausgabe

     * Verleihung der Big Brother Awards (BBA)
     * Links auf Links - Staatsanwalt erhält Ohrfeige vor
       Obergericht
     * Software-Patente: Auf zur zweiten Runde
     * Domain-Entführung im grossen Stil
     * Erfolgreiche Zusammenarbeit im Kampf gegen Spam in
       der Schweiz
     * Gesetz gegen Spam in den USA - Legislatorische
       Fehlleistung

   Der Newsletter der Swiss Internet User Group informiert
   monatlich über aktuelle Themen der Internet-Nutzung,
   speziell über Datenschutz, Grundrechte im Netz,
   Rechtsfragen und verwandte Gebiete. Der Newsletter kann
   über die Webseite der SIUG oder über die
   SIUG-Announce-Mailingliste bezogen werden. Er wird
   zudem in der Newsgroup ch.talk gepostet.

   Für Fragen, Anregungen und Feedback:
   mailto:siug at siug.ch

   Swiss Internet User Group
   Postfach 1908
   8021 Zuerich

   Homepage: http://www.siug.ch/
   E-Mail: mailto:siug at siug.ch
   Postkonto-Nummer: 87-67210-5

   © SIUG Swiss Internet User Group November 2003

   Die Verwendung der Informationen aus diesem Newsletter
   ist ausdrücklich erlaubt, ein Hinweis auf die Quelle
   und ein Belegexemplar sind erwünscht.


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                         Über die SIUG

   Die SIUG Swiss Internet User Group engagiert sich für
   Themen, welche die Nutzung des Internets kurz- bis
   langfristig betreffen: Fragen des Datenschutzes und von
   Grundrechten im Netz, Rechtsfragen (zum Beispiel
   Urheberrecht und Software-Patente), Kampf gegen
   Netzmissbrauch, sowie um Belange des
   Konsumentenschutzes im Internet.

   Der SIUG gehören InternetbenutzerInnen,
   ZugangsanbieterInnen und InhaltsgestalterInnen an, die
   sich für einen verantwortungsvollen und konstruktiven
   Umgang mit dem Medium Internet einsetzen.


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   Informationen und Anmeldung unter
   http://www.siug.ch/about/mitglieder/
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            Verleihung der Big Brother Awards (BBA)

   52 Kandidatinnen und Kandidaten - Preisverleihung am 1.
   November in der Reitschule in Bern

   Die Auszeichnung der grössten Schnüffelratten des
   Jahres findet in der Schweiz bereits zum vierten Mal in
   Folge statt. Die Nominierten und Prämierten haben sich
   nicht im juristischen Sinne strafbar gemacht, sondern
   durch ihr Verhalten oder ihre Produkte das Grundrecht
   auf den Schutz der Privatsphäre untergraben oder die
   Überwachung und Kontrolle von Personen und
   Personengruppen gefördert.

   Die BBA wollen auf Misstände hinweisen und dazu
   beitragen, das Bewusstsein für Datenschutz und gegen
   Überwachung zu fördern.

   Alle Details zu den Nominierten und zur Preisverleihung
   an diesem Samstag unter
   http://www.bigbrotherawards.ch/2003/.


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 Links auf Links - Staatsanwalt erhält Ohrfeige vor Obergericht

   Am 30. September hat das Obergericht - wie schon die
   Vorinstanz - den ETH-Professor Thomas M. Stricker vom
   Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. In
   der Urteilsbegründung wies das Obergericht darauf hin,
   dass der Fall äusserst klar sei und als Präzedenzfall,
   wie es von der Staatsanwaltschaft offenbar geplant ist,
   sehr ungeeignet sei. Der Fall hätte schon in der
   Voruntersuchung eingestellt werden müssen, liess das
   Obergericht durchblicken.

   Der Verteidiger von Prof. Stricker stellte dann
   folgerichtig den Antrag, dass der Schadenersatz für
   seinen Mandanten zu Lasten des Personaletats der
   Staatsanwaltschaft zu sprechen sei, um in Zukunft
   solche schikanösen Anklagen zu verhindern.

   Professor Stricker wurde im Jahr 2000 angeklagt, auf
   seiner ETH-internen Webseite Links zu rassistischen
   Webseiten angebracht zu haben. Tatsächlich hatte Herr
   Stricker aber einen Link zu einer antirassistischen
   Webseite angebracht.

   Strickers Webseite setzte sich im Auftrag der
   Professorenschaft der ETH kritisch mit der
   Internet-Benutzungsordnung der ETH auseinander. In
   diesem Rahmen setzte Professor Stricker zur
   Illustration einen Link auf die Webseite
   http://www.stop-the-hate.org/, die sich kritisch mit
   verschiedenen "Hass-Webseiten" auseinandersetzt.

   Diese amerikanische Webseite ist seit ungefähr 1992
   aktiv und enthält auch kommentierte Links zu
   Hass-Webseiten. Unter verschiedenen - gelinde
   ausgedrückt - merkwürdigen Begründungen wirft die
   Staatsanwaltschaft Herrn Stricker vor, sich die Inhalte
   dieser Hass-Webseiten zu Eigen gemacht zu haben. Die
   Staatsanwaltschaft versteigert sich sogar zur Theorie,
   das Internet sei wegen der "Vorwärts"- und
   "Zurück"-Buttons eines Webbrowsers als Buch zu
   betrachten, so dass miteinander verlinkte Seiten quasi
   zu einer Einheit verschmelzen. Dadurch würde das Setzen
   eines Links dem editieren/verlegen/publizieren eines
   Buches gleich kommen.

   Jedem Laien ist intuitiv klar, dass sich Herr Stricker
   diese Inhalte nicht "zu Eigen" gemacht hat. Mehr
   noch: Er hat sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen
   Tätigkeit mit der Problematik auseinandergesetzt und
   auf eine Webseite verwiesen, die sich seit Jahren
   explizit gegen solche Hass-Webseiten wendet.

   Der Fall wird von der SIUG seit längerem dokumentiert:
   http://www.siug.ch/aktionen/links_022000/


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            Software-Patente: Auf zur zweiten Runde

   Das EU-Parlament hat sich in erster Lesung gegen reine
   Software- und Trivialpatente ausgesprochen. Dem
   Entscheid vorausgegangen war eine heftige Diskussion um
   einen Richtlinien-Entwurf der Patentlobby.

   Die europäische Patentgesetzgebung (in welche auch die
   Schweiz vertraglich eingebunden ist) setzt reinen
   Software- und Trivialpatenten eigentlich enge Grenzen.
   Die Praxis der Patentämter spricht leider eine andere
   Sprache - die Reihe der dokumentierten Fälle von
   offensichtlichem Missbrauch ist lang.

   Gegen diese Praxis und gegen die Pläne zu einer
   schrankenlosen Patentierbarkeit von Software und
   Trivialitäten wehren sich mittlerweile breite Kreise,
   insbesondere aus dem Umfeld von kleinen und mittleren
   Firmen und aus der Welt der freien Software. Diese
   Firmen, Organisationen und Einzelpersonen befürchten,
   dass die aufwändigen und teuren Patentrechtsverfahren
   zunehmend dazu missbraucht werden, ungerechtfertigte
   Wettbewerbsvorteile zu erreichen.

   Die Patentlobby war vom Erfolg der zuvor wenig
   organisierten Opposition gegen die unbeschränkte
   Patentierbarkeit überrascht und hat auf den ablehnenden
   Bescheid des europäischen Parlamentes mit Verärgerung
   reagiert. Es ist anzunehmen, dass diese Kreise jetzt
   versuchen werden, ihre wirtschaftlichen Interessen auf
   anderen Wegen durchzuboxen.

   Eine ausführliche Dokumentation zum Kampf gegen
   Software- und Trivialpatente findet sich auf den
   Webseiten des Fördervereins für eine Freie
   Informationelle Infrastruktur e.V. (FFII) unter
   http://swpat.ffii.org/.

   Die SIUG stellt sich gegen Softwarepatente, da diese
   keine Förderung von Forschung und Entwicklung nach sich
   ziehen, sondern im Endeffekt lediglich höhere Kosten
   und weniger Auswahl für die Konsumenten zur Folge
   haben.

   Für den rechtlichen Schutz von Software ist das
   Urheberrecht zuständig. Insofern besteht eine Parallele
   zur Musik: Es ist undenkbar, die Musik von Mozart zu
   patentieren. Hingegen kann ist es durchaus vorstellbar,
   ein bestimmtes technisches Element eines
   Musikinstrumentes patentieren zu lassen.


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               Domain-Entführung im grossen Stil

   Die Firma Verisign hat aus historischen Gründen immer
   noch eine überragende Stellung bei der Vergabe von
   .com- und .net-Domains. Verisign ist die zentrale
   Registry für solche Domains, das heisst diese Firma
   führt die zentrale Datenbank und "kennt" somit alle
   vergebenen respektive noch freien Domains.

   Verisign hat diese Sonderstellung dazu ausgenutzt, um
   Benutzer, die eine "falsche" (nicht existierende)
   Domain eingeben, auf eigene Webseiten umzuleiten.
   Dieser Dienst wurde unter dem Namen "SiteFinder"
   geführt.

   Diese Funktion wurde sowohl technisch als auch
   politisch äusserst fragwürdig umgesetzt. Technisch
   waren nun plötzlich alle Domains "bekannt", was an
   vielen Stellen Probleme bereitet. Politisch war das
   Vorgehen von Verisign überhaupt nicht abgestütz. Gerade
   mal einige wenige Stunden verstrichen zwischen der
   Ankündigung der Änderung und dem Aufschalten.

   ICANN, die Organisation, welche eigentlich die
   Oberaufsicht über das Domain-Name-System wahrnehmen
   sollte, hat nach einigem Zögern Druck auf Verisign
   aufgesetzt. Zwischenzeitlich wurde dieser "Dienst"
   abgeschaltet, doch Verisign kündigte bereits an, ihn
   nach einigen kosmetischen Retouschen wieder
   einzuschalten.

   Die SIUG wendet sich gegen den offensichtlichen
   Missbrauch der Sonderstellung durch Verisign, der sich
   in eine ganze Reihe von fragwürdigen Geschäftsmethoden
   von Verisign stellt. Da die Firma Verisign offenbar das
   in sie gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigt, muss
   ICANN als Aufsichtsgremium die notwendigen Schritte
   unternehmen, um die Registrar-Funktion für .com und
   .net auf eine neue Trägerschaft zu übertragen.

   Hintergrundinformation der Harvard University:
   http://cyber.law.harvard.edu/tlds/sitefinder/

   Analyse des Internet Architecture Board (IAB):
   http://www.iab.org/documents/docs/2003-09-20-dns-wildcards.html
 

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 Erfolgreiche Zusammenarbeit im Kampf gegen Spam in der Schweiz

   Es gibt in der Schweiz nur wenige notorische Spammer,
   doch diese wenigen sind ausserordentlich hartnäckig;
   "Socken", "Nachtsichtgeräte", Porno-DVDs,
   "Pfefferspray", ... - diese Spams sind wohl jedem
   Schweizer mit einer Mailadresse schon ungefragt in die
   Inbox geworfen worden.

   Der Kampf gegen Spam und anderen Netzmissbrauch bedingt
   eine gute Zusammenarbeit und Koordination auf allen
   Ebenen. Zwischen einigen Providern und den Benutzern
   funktioniert diese Zusammenarbeit bereits recht gut.
   Manche Provider müssen allerdings noch lernen, dass
   auch sie in der Pflicht sind, notorischen Spammern die
   Verbindung zu kappen; Umsätze, die sie mit Spammern
   machen, sind keine nachhaltigen Umsätze. Provider und
   Benutzer werden zum Selbstschutz über kurz oder lang
   von Providern, die Spammer beherbergen, keine Mails
   mehr annehmen.

   In einem aktuellen Fall konnten dank der guten
   Zusammenarbeit zwischen dem betroffenen Provider, der
   SIUG und den Mailinglisten spam-ch und swinog gute
   Fortschritte erzielt werden. Von den Spams Betroffene
   hatten bereits über weitergehende Massnahmen beraten,
   und die Server des Providers wurden auch schon
   vereinzelt gesperrt.

   Als Folge des massiven Missbrauchs durch den Spammer
   hat der Provider schlussendlich die Anschlüsse der
   verantwortlichen Person gekappt. Die SIUG begrüsst
   diesen Schritt und hofft, dass andere Provider ähnlich
   reagieren werden, um den Belästigungen ein Ende zu
   setzen.

   Die notorischen Spammer nutzen zur Zeit zwei
   Strategien, um trotz der eingerichteten technischen und
   organisatorischen Sperrungen weiterhin ihre Opfer zu
   belästigen: Sie wählen sich bei Providern im Ausland
   ein und/oder sie besorgen sich laufend neue
   Telefonnummern. Diese Ausweichaktionen zeigen, dass der
   Kampf gegen Netzmissbrauch erste Erfolge zeitigt, da
   die Spammer gezwungen werden, höhere Kosten in Kauf zu
   nehmen.

   Da die Belästigung trotzdem weiterhin anhält, sind
   weitere Massnahmen unumgänglich. Einerseits muss auf
   politischer Ebene endlich die Revision des
   Fernmeldegesetzes (FMG) vorwärts gebracht werden;
   andererseits sind die Telefoniebetreiber in der
   Pflicht, die Erteilung von neuen Nummernblöcken an die
   bekannten Spammer zu unterlassen.

   Wer sich für die Koordination der Massnahmen gegen Spam
   interessiert, kann sich an der Mailingliste spam-ch
   beteiligen. Informationen dazu per Mail an
   mailto:siug at siug.ch.

   Informationen zur SwiNOG, Swiss Network Operator Group:
   http://www.swinog.ch/; Position der SIUG zum Thema
   Spam: http://www.siug.ch/positionen/SIUG-Spam.shtml


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  Gesetz gegen Spam in den USA - Legislatorische Fehlleistung

   Der US-amerikanische Senat hat am 22.Oktober ein Gesetz
   gegen Spam beschlossen. Dieses sieht vor, dass die
   Fälschung und Verschleierung von Absenderinformationen
   verboten wird und dass Werbemails eine eindeutige
   Kennzeichnung im Betreff enthalten müssen. Zudem soll
   eine "Do Not Mail"-Liste eingerichtet werden, analog
   zu den "Do Not Call"-Listen für Telefonvermarktung.

   Die Reaktionen auf dieses Gesetz (das noch nicht in
   Kraft getreten ist) sind gemischt. Ein Verbot der
   Fälschung von Absenderangaben ist sehr sinnvoll, da es
   Filtern die Arbeit erleichtert und keine Domains von
   unschuldigen Dritten mehr betroffen werden - hingegen
   ist es fraglich, ob und wie diese Bestimmung
   durchgesetzt werden soll.

   Eine Kennzeichnung in der Betreff-Zeile haben schon
   einige Gesetze vorgesehen. Das ist zwar eine nette
   Geste, aber technisch gesehen eher sinnlos: bis die
   Betreff-Zeile gesendet wird, hat bereits ein grosser
   Teil der Übertragung eines Mails stattgefunden. Zudem
   wird diese Kennzeichnung von Spammern in der Regel
   (angeblich aus reinem Versehen) möglichst
   unterschiedlich gestaltet, um gezieltes Filtern zu
   verunmöglichen.

   Grösster Kritikpunkt an dem Gesetz ist die Regelung,
   dass grundsätzlich jede Mailadresse mit Werbung
   eingedeckt werden darf, sofern nicht ausdrücklich
   widersprochen wird. Dieses "Opt-Out"-Verfahren ist
   quasi ein Freibrief für skrupellose Spammer. Wie die
   Erfahrung zeigt, sind diese nicht an der Einhaltung von
   Regeln und Gesetzen interessiert; hingegen freuen sie
   sich über verifizierte Mailadressen.

   Eine "Do Not Mail"-Liste schliesslich ist Humbug. Es
   ist nicht einzusehen, warum alle Mailadressen, die
   nicht auf einer solchen Liste stehen, implizit mit
   unaufgeforderter Werbung eingedeckt werden können
   sollen. Der allgemeine Konsens ist immer noch, dass
   eine Mailadresse erst mal keine Werbung wünscht.

   Der Abgleich zwischen Adresslisten von Spammern und
   "Do Not Mail"-Listen ist darüber hinaus mit
   praktischen Problemen verbunden. Es würde Spammern
   ermöglichen, gültige Adressen zu verifizieren und dann
   erst recht zu belästigen.

   Auch Benutzer ausserhalb der USA werden unter dieser
   gesetzlichen Fehlleistung zu leiden haben, wenn Spammer
   unter einem Deckmäntelchen angeblicher Gesetzestreue
   auf den Fang nach neuen Mailadressen gehen.

   Heise Online: "US-Senat beschließt Anti-Spam-Gesetz"
   http://www.heise.de/newsticker/data/wst-23.10.03-000/

   Analyse des Gesetzes:
   http://politechbot.com/pipermail/politech/2003-October/000127.html
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