[wilhelmtux-discussion] [SIUG-announce] ETH-Professor erneut freigesprochen - Keine Rassendiskriminierung

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Wed Oct 1 10:24:17 CEST 2003


PRESSEMITTEILUNG
der Swiss Internet User Group (SIUG)


ZUR SOFORTIGEN VEROEFFENTLICHUNG BESTIMMT

Links auf Webseiten sind nicht strafbar - Urteil des Zuercher
Obergerichts - Informatikprofessor in allen Punkten
freigesprochen.


Mittwoch, 30. September 2003

Das Zuercher Obergericht hat heute den Informatikprofessor Dr. T.
Stricker vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen.  Das
Obergericht hat das Urteil der Vorinstanz in allen Punkten
bestaetigt.

Professor Stricker wurde im Jahr 2000 angeklagt, auf seiner
ETH-internen Webseite Links zu rassistischen Webseiten angebracht zu
haben. Tatsaechlich hatte Herr Stricker aber einen Link zu einer
*anti*rassistischen Webseite angebracht.

Strickers Webseite setzte sich im Auftrag der Professorenschaft
der ETH kritisch mit der Internet-Benutzungsordnung der ETH
auseinander. In diesem Rahmen setzte Professor Stricker zur
Illustration einen Link auf die Webseite
http://www.stop-the-hate.org/, die sich kritisch mit
verschiedenen "Hass-Webseiten" auseinandersetzt.

Diese amerikanische Webseite ist seit ungefaehr 1992 aktiv und
enthaelt auch kommentierte Links zu Hass-Webseiten. Unter
verschiedenen - gelinde ausgedrueckt - merkwuerdigen Begruendungen
wirft die Staatsanwaltschaft Herr Stricker vor, sich die Inhalte
dieser Hass-Webseiten zu Eigen gemacht zu haben. Die
Staatsanwaltschaft versteigert sich sogar zur Theorie, das
Internet sei wegen der "Vorwaerts"- und "Zurueck"-Buttons eines
Webbrowsers als Buch zu betrachten, so dass miteinander
verlinkte Seiten quasi zu einer Einheit verschmelzen.

Jedem Laien ist intuitiv klar, dass sich Herr Stricker diese
Inhalte nicht "zu Eigen" gemacht hat. Mehr noch: er hat sich im
Rahmen seiner wissenschaftlichen Taetigkeit mit der Problematik
auseinandergesetzt und auf eine Webseite verwiesen, die sich
explizit gegen solche Hass-Webseiten wendet:

 http://www.stop-the-hate.org/neo-nazi.html

Obwohl bereits der Freispruch im erstinstanzlichen Urteil an
Deutlichkeit nichts zu wuenschen uebrig gelassen hat, hat die
Staatsanwaltschaft dagegen Berufung eingelegt. Das Obergericht
hat das erstinstanzliche Urteil vollumfaenglich geschuetzt und
zudem in der muendlichen Urteilsbegruendung darauf hingewiesen,
dass dieser Fall nicht nur aeusserst klar sei, sondern sich auch
wegen seiner Einzigartigkeit denkbar schlecht als Praezedenzfall
eigne.

Angesichts handwerklicher (Uebersetzungs-) Fehler in der ersten
Anklageschrift kann nicht ausgeschlossen werden, dass mangelndes
Sprachverstaendnis erst der Ausloeser der urspruenglichen Anklage
gewesen ist.

Fuer die SIUG ist das Verhalten und die Begruendung der
Staatsanwaltschaft unverstaendlich. Umso mehr begruesst die SIUG
das Urteil des Bezirks- und des Obergerichts, die beide
festgestellt haben, dass das Setzen eines Links auf eine
Webseite nicht automatisch dazu fuehrt, dass man sich den Inhalt
der verlinkten Webseite zu Eigen macht. Sobald das Urteil
rechtskraeftig geworden ist, bietet es den Erstellern von
Webseiten in der Schweiz eine gewisse Rechtssicherheit.

Der Verteidiger von Prof. Dr. Stricker hat in seinem Plaedoyer
darauf hingewiesen, dass ein allfaelliger Schadenersatz fuer Herrn
Stricker zu Lasten des Personaletats der Staatsanwaltschaft
erfolgen solle. Damit wuerde das Gericht in Zukunft von solchen
offensichtlich ungerechtfertigten Berufungen geschont.



Kontakt: Matthias Leisi, matthias.leisi at siug.ch
  Telefon 043 211 03 55, Fax 043 211 03 56



Links und Hintergrundinformationen:

Uebersicht ueber den Fall mit Detailinformationen und Timeline
inklusive Medienspiegel:
http://www.siug.ch/aktionen/links_022000/

Juristischer Kommentar zum Urteil des Bezirksgerichts vom
10. September 2002: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020337.htm



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Positionen der SIUG zu verschiedenen Themengebieten rund um
das Internet: http://www.siug.ch/positionen/

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sich bitte an info at siug.ch

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Dies ist eine Mitteilung der Swiss Internet User Group SIUG
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