[wilhelmtux-discussion] [Fwd: RE: Anfrage zur annullierten Konferenz der WIPO zum Thema "offene und kollaborative Projekte, welche öffentliches Gut erschaffen"]

Nicola Fankhauser nicola.fankhauser at variant.ch
Mit Aug 27 10:54:24 CEST 2003


hallo leute

die antwort von frau schaer bourbeau - also abwarten und tee trinken.

gruss
nicola

----------------------------------- Original Message -----------------------------------
Subject: RE: Anfrage zur annullierten Konferenz der WIPO zum Thema "offene und
kollaborative Projekte, welche öffentliches Gut erschaffen" From:   
beatrice.schaerbourbeau at eda.admin.ch
Date:    Wed, August 27, 2003 9:48
To:      nicola.fankhauser at variant.ch
Cc:      felix.addor at ipi.ch
         Ueli.Buri at ipi.ch
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Sehr geehrter Herr Frankhauser,

Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 25.8.an die Mission Genf, in welchem Sie auf die
Annullierung der Konferenz "offene und kollaborative Projekte, welche öffentliches Gut
erschaffen" eingehen und auf Ihr grosses Interesse an einer solchen Konferenz hinweisen.

Die Mission in Genf hat Ihr Anliegen zur Kenntnis genommen und es den für diesen Bereich
zuständigen Behörden (Institut für Geistiges Eigentum in Bern) weitergeleitet.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben.

Mit freundlichen Grüssen

Beatrice Schaer Bourbeau

-----Original Message-----
From: Nicola Fankhauser [mailto:nicola.fankhauser at variant.ch]
Sent: Montag, 25. August 2003 20:38
To: beatrice.schaerbourbeau at eda.admin.ch
Subject: Anfrage zur annullierten Konferenz der WIPO zum Thema "offene und kollaborative
Projekte, welche öffentliches Gut erschaffen"


Sehr geehrte Frau Schaer Bourbeau!

Wie Sie vielleicht wissen, haben am 7. Juli dieses Jahres 59
Wissenschaftler, Oekonomen und Akademiker in einem gemeinsamen Brief an Kamil Idris [1]
vorgeschlagen, dass sich die WIPO mit einer
Konferenz im Kalenderjahr 2004 dem Thema "offene und kollaborative Projekte, welche
öffentliches Gut erschaffen" widmen sollte.

Selber bin ich Anwender und Entwickler von freier Software, und
Mitglied bei Wilhelm Tux. Diese Konferenz interessiert uns sehr, denn freie Software
fällt genau in diese Kategorie.

Dieser Brief an Kamil Idris löste in Folge einen Artikel in "Nature" aus [2], worin
Francis Gurry von der WIPO zitiert wurde mit den
Worten: "The use of open and collaborative development models for
research and innovation is a very important and interesting
development.  (...) The director-general looks forward with enthusiasm to taking up the
invitation to organize a conference to explore the scope and application of these
models."

Alarmiert durch diese positive Reaktion haben Lobbyisten der Business Software Alliance
beim US Patentamt und beim State Department auf
Intervention gedrängt, dass die geplante Konferenz verhindert wird.

Lois Boland, Direktorin für internationale Beziehungen beim US
Patentamt, sagte laut Washington Post, dass eine Konferenz, deren
Zweck die Ablehnung von Recht an geistigem Eigentum sei, mit der
Mission der WPIO unvereinbar sei.

Als ein Mitarbeiter an diversen Projekten im Bereich freier Software kann ich ihnen
versichern, dass Bolands Aussage den Grundsätzen der Bewegung für Freie Software völlig
widerspricht. Freie Software baut im Gegenteil genau auf dem existierend Urheberrecht
bzw. Copyright auf.

Zu keinem Zeitpunkt stand die geplante Konferenz im Zeichen einer
"Abschaffung" oder "Ablehnung" von Recht an geistigem Eigentum.
Vielmehr sollte die These diskutiert werden, dass erfolgreiche, offene Projekte (wie das
Human Genome Project, die Open Source Bewegung und die Internetstandards) mehr erreicht
haben als traditionelle, weniger offene Projekte.

Bolands fehlendes Hintergrundwissen ist bedenklich, denn durch Druck seitens des US
Patentamts und der BSA wurde die Konferenz tatsächlich annulliert. Es kann nicht
angehen, dass eine amerikanische Lobby
Diskussionen zu diesem Themen unterdrückt und dabei die Unwissenheit ranghoher Politiker
ausnutzt.

Eine Diskussion ist vielmehr nötig, weil freie Software in der
Informationsgesellschaft ein immer wichtigerer Faktor ist, und es sehr wohl interessante
Fragen zum Thema geistiges Eigentum gibt,
beispielsweise: Wie ist die gemeinsame Urheberschaft hunderter von Autoren bei
Urheberrechtsverletzungen zu beurteilen?
Deswegen denken wir, dass die WIPO eine geeignete Plattform für diese Diskussion ist.

Die Schweiz als demokratisches Land könnte sich bestens in die
Diskussion einbringen - auch der Bund macht sich Gedanken über den Einsatz von freier
Software (Konferenz am 1. September in Bern [4]).

Wir von Wilhelmtux möchten Sie deshalb bitten, mit Francis Gurry der WIPO Kontakt
aufzunehmen und die Sache zu besprechen. Vielleicht
lässt sich diese Konferenz in einem neuen Anlauf durchführen?

Es würde uns freuen, wenn Sie etwas in der Sache erreichen könnten, die immerhin sehr
wichtig ist (national wie international).

Mit freundlichen Grüssen
Nicola Fankhauser

im Namen von Wilhelm Tux, Kampagne für Freie Software
http://www.wilhelmtux.ch/

[1]: Offener Brief an Kamil Idris:
http://www.cptech.org/ip/wipo/kamil-idris-7july2003.pdf

[2]: Artikel in Nature vom 10. Juli 2003:
http://www.nature.com/cgi-taf/dynapage.taf?file=/nature/journal/v424/n6945/f
ull/424118a_fs.html

[3]: Artikel in der Washington Post vom 21. August 2003:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A23422-2003Aug20.html

[4]: FOSS-Tagung vom 1. September 2003:
http://www.isb.admin.ch/intranet/strategien/00665/01486/index.html?lang=de